Eine lohnende Fundsache: die Zweite von Felix Woyrsch
Von Karla Langehein
Oldenburg

Selbst in Fachkreisen ist er noch immer kaum bekannt. Und seinen Familiennamen richtig auszusprechen, gelingt vermutlich nur Kennern der böhmischen Sprache. Denn aus Südböhmen kamen die Vorfahren von Felix Woyrsch über Dresden nach Hamburg Altona. Dort wurde ein junger Lehrer und Chordirigent auf das musikalisch hochbegabte Kind aufmerksam und erteilte ihm unentgeltlich Klavierstunden und Theorieunterricht. Obgleich dies allein noch kein Kompositionsunterricht ist, legte Heinrich Chevallier, so der Name des jungen Lehrers, damit die Grundlage für ein Komponistendasein, das sich Felix Woyrsch mit großem Geschick und viel Energie selbst erarbeitete: er war Autodidakt. Was er allerdings nicht gerne hörte. Denn, so schrieb er an einen Freund, seine „Lehrmeister“ mit „Namen von gutem Klang“ waren unter anderem Palestrina, Bach, Mozart und Beethoven, dazu auch „Meister der neueren Zeit, Schumann, Brahms und Wagner“. Und das Instrumentieren habe er bei Berlioz gelernt. Damit ist vieles von dem umschrieben, was in seinem Werk zu hören ist.

   Als er 1944 im Alter von 84 Jahren starb, hinterließ Woyrsch ein umfangreiches Œuvre. Darunter auch sechs Sinfonien. Deren Zweite, nach der Uraufführung 1914 wie fast alle seine Kompositionen in Vergessenheit geraten, erfuhr nun mit dem Staatsorchester Oldenburg unter Leitung von Thomas Dorsch eine erfolgreiche Wiederbelebung. Erfreulich, dass dieses Ereignis mit einer CD-Produktion im Studio des NDR Hannover festgehalten und damit die bis dato magere Diskografie der Werke von Woyrsch erweitert wurde.

   Anders als viele andere als Sensation beschriebene Spät-entdeckungen lohnt sich das Anhören vor allem für Freunde der romantischen und spätromantischen Musik. Obgleich Zeitgenosse von Zemlinsky, Schönberg, Hindemith und Strawinsky, ließ Woyrsch die Welt dieser Neutöner an sich vorüberziehen. Seine Heimat war bei den Romantikern, den frühen und den späten gleichermaßen, Mahler und Strauss inklusive.

   Diese Zweite schreibt er für großes Orchester. Zieht im Bläserchor (fast) alles heran, was an Farben denkbar ist. Mit dissonanten Klängen geht er sparsam um. Seine zuweilen etwas ausführliche Tonsprache ist stets eingängig und schlicht – was nicht mit „flach“ verwechselt werden sollte. Anrührend der Beginn des dritten Satzes, in dem er stilistisch (ohne zu zitieren) seine Liebe zum deutschen Volkslied dokumentiert. Seinen barocken Lehrmeistern erweist Woyrsch die Reverenz mit einem sauber gesetzten vierstimmigen Fugato, das den in  abgewandelt klassischer Form einherkommenden Kopfsatz schmückt.

 Im Großen Sendesaal des NDR Hannover entstand unter dem Label „cpo“ eine bemerkenswert klare Einspielung, deren musikalisch überzeugendes Format dem  Staatsorchester Oldenburg unter der Leitung von Thomas Dorsch zu danken ist. Brillant agierende Bläser und dynamisch perfekt differenzierende Streicher setzen der farbenreichen Instrumentation Glanzlichter auf, und Thomas Dorsch gelingt eine formal und thematisch durchschaubare, dem Werk adäquate Interpretation. Fazit: eine lohnende Fundsache!

Eine lohnende Fundsache: die Zweite von Felix Woyrsch (Karla Langhein)