Felix Woyrsch – Drei Böcklin Phantasien
Peter Tschaikowsky – Konzert für Klavier und Orchester Nr.1 b-Moll
Caterina Grewe, Klavier
Felix Woyrsch – Dritte Sinfonie
Oldenburgisches Staatsorchester
Theater Neumünster
Rezension: Kieler Nachrichten Kulturteil 20 3 2013
Knorrig durchglüht: Orchestermusik von Felix Woyrsch
Von Michael Struck – Neumünster.
Da haben wir nochmal Glück gehabt: Weil Altona erst 1938 Harburg zugeschlagen wurde, darf der 1860 in Troppau geborene, doch schon als Kind nach Altona gekommene und dort 1944 gestorbene Felix Woyrsch der eher bescheidenen Zahl schleswig-holsteinischer Komponisten zugerechnet werden. Seine Musik wurde nach dem 2. Weltkrieg zunächst gründlich vergessen, da Woyrsch als Spätest-Ramantiker galt und es im kulturell seit 1933 verdumpften Deutschland erst einmal Nachholbedarf an “Moderne” gab. Inzwischen findet sein Schaffen neues Interesse, gerade auch durchs Engagement der Pfohl-Woyrsch-Gesellschaft. Die sorgte jetzt in Gestalt des Neumünsteraner Musikbibliothekars Andreas Dreibrodt dafür, dass das Oldenburgische Staatsorchester und sein stellvertretender GMD Thomas Dorsch im 5. Abonnementkonzert nach Neumünster kamen. Als Generalprobe zu ihrer zweiten Woyrsch-CD-Produktion spielten sie im Theater der Stadthalle zwei der drei Böcklin- Phantasien op. 53 (1910) und die 1928 uraufgeführte, vor über 70 Jahren letztmals öffentlich erklungene 3. Symphonie es-Moll op. 70. Dafür ernteten sie am Ende des Konzertes anhaltenden Applaus. Und Woyrschs Tonbild nach Böcklins Gemälde Die Toteninsel muss die fast gleichaltrigen Konkurrenzstücke Hegers und Rachmaninows nicht fürchten. Es findet von kurzen Motivgesten aus zu stärker fließenden Klängen, zielt auf eine große Entladung und kehrt dann zum lapidaren Beginn zurück: eine schöne postwagnersehe und doch musikalisch autarke Entsprechung zu Böcklins düsterer, beunruhigend ruhiger Bildkomposition. lm Spiel der Wellen, das Böcklin mit teils übermütigen, teils verschreckten Tritonen, Meerkentauren und Najaden bevölkert, möchte man bei Woyrsch eher gezeichnet als hell-dunkel-intensiv “gemalt” nennen-zartelastischer Deutsch-Impressionismus. Woyrschs Hang, gerade Formuliertes durch Sequenzierung zu unterstreichen, mag hier wie auch in der harmonisch noch komplexeren 3. Symphonie manchmal fast etwas schematisch wirken. Doch solcher Überschuss sichert der freitonal-komplexen Musik wohl gerade ihre Zugänglichkeit. Der Dritten ist anzuhören, dass Bruckner einer von Woyrschs Hausgöttern war: Das dritte Thema des zwischen Elegischem und Wuchtig-Pathetischem gespannten Kopfsatzes kündet davon ebenso wie der robust-markante Hauptteil des Scherzos. Im Finale erschrickt man fast, wenn die Harmonik kurz mal in eindeutiges Es-Dur umschlägt. All das wirkt nicht akademisch- formalistisch, sondern ist von durchglühter Knorrigkeit, belastbar konstruiert, expressiv, doch nicht aufdringlich. Unter Dorschs überlegt überlegener Leitung steuerte das Orchester vital durch die unbekannte Musik, zeigte in den Böcklin-Phantasien bereits eine Menge Feinschliff und wird bis zur Aufnahme der Symphonie wohl noch die eine oder andere Problemstelle nachbehandeln. Zwischen beiden Woyrsch-Werken sekundierte man mit präzisem Elan der jungen Caterina Grewe in Tschaikowskys 1. Klavierkonzert. Schön, dass die deutsch-japanische Pianistin das Werk nicht auf “lauter, schneller, wilder” trimmte, sondern schlanke, doch durchsetzungsfähige Virtuosität mit lyrischer Bestimmtheit verband und ein, zwei Schrecksekunden souverän meisterte.