1. parathesis -“Nebeneinanderstellung”
2. mixis – “Mischung”
3. krasis – “Durchdringung”
4. synchysis – “Vermischung”
“tonike kinesis” entstand für die 1.Preisträger des Hochschulwettwerbes 1994 Matthias Breitlow und Michael Römer. Es stellt z.T enorme technische Anforderungen an die Spieler, ist auf der anderen Seite, ebenso wie die benachbarten Werke “Chaconne”, “Landscape-Gardening”, “Baumstudien” und “Echo auf der Reise durch die Zeit” einem speziellen Aspekt der Zeitgestaltung von Musik zugeordnet und somit rhythmisch hochkomplex. Der griechische Titel weist auf grundlegende Prinzipien eines Kunstwerkes: Arbeit mit verschiedenem Material, dessen Wirkung und Zusammenhang. Er stammt aus der Physik einer der athenischen Philosophenschulen, der Stoa. Deren Welterklärungsmodell des ontologischen Materialismus, d.h., daß alle Dinge und Erscheinungen der Welt stofflich materiell, bestehend aus der Ursubstanz (Hyle), die sich nach einer bestimmten Struktur (Logos, Pneuma) anordnet, zu beschreiben sind. Aus der Hyle entstehen die vier Grundelemente Feuer, Wasser, Erde und Luft, die in bestimmter Mischung alles andere ergeben. Die Stoiker entwickelten dieses Modell, welches dem modernen Kraftfeldbegriff der Wellenbewegung sehr nahe kommt. Mehrere Elemente können sich in spannungshafter Bewegung überlagern und an einem Ort gleichzeitig sein. Das Mischungverhältnis der Teilchenwellen oder Wellenteilchen sind in den vier Titeln des Stückes wiedergegeben. Während in der Parathesis die Teil unverändert nebeneinander liegen,vergleichbar einer Mischung verschiedener Getreidearten, zeichnet sich Mixis durch ein gänzliches Durchdringen der Materien aus. Diese behalten aber Ihre Eigenschaften: z.B. das von Feuer durchglühte Eisen und der von der Seele belebte Leib. Krasis meint ebenfalls das Phänomen Durchdringung, bezogen aber auf flüssige Körper. Erst in der Synchysis bedeutet das Mischverhältnis die totale Durchdringung unter Aufgabe der eigenen Eigenschaften, vergleichbar einer chemischen Reaktion, bei der ein neuer Stoff entsteht. Dieses Modell scheint prädestiniert, musikalische Überblendungsprozeße zu beschreiben. Das Stück “Tonike Kinesis” beschäftigt sich mit der allmählichen Überführung von zu Beginn kontradiktorischen Elementen aus den musikalischen Bereichen: Rhythmus (Zeitverlauf), instrumentale Klangfarbe und Harmonie.
Livemitschnitt der UA, Musikhochschule Hannover
Michael Römer (Klavier), Matthias Breitlow (Schlagzeug)
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