Mozart, W.A. – Arien & Lieder, Klavierkonzerte
Kostbarkeiten von Wolfgang Amadé
Label/Verlag: gutingi
Ein Programm voller populärer Mozart-Werke brachte das Label gutingi bereits Anfang 2015 heraus: zwei Klavierkonzerte, Lieder und Arien. Mitwirkende sind die Norddeutsche Kammerphilharmonie, Pianist Gerrit Zitterbart und Sopranistin Heidrun Blase.
Wem an historischer Aufführungspraxis liegt, der wird viel an dieser Einspielung finden. Gerrit Zitterbart am Hammerflügel und die Norddeutsche Kammerphilharmonie unterstützt durch Mitglieder der Lüneburger Symphoniker unter der Leitung von Thomas Dorsch finden einen Klang, der filigran und leicht, auf jegliche romantische Wucht oder Verzärtelung verzichtet. Die Verortung im 18. Jahrhundert und die geschichtlichen Wurzeln werden deutlich hervorgehoben. Als Titel wurde die Schreibweise Wolfgang Amadé Mozart gewählt – heute weniger populär, wurde sie vom Komponisten persönlich bevorzugt.
Mozart an Stimmen
Sopranistin Heidrun Blase fügt sich stimmlich ein, ohne ganz auf Vibrato zu verzichten, wie es manche Vertreter historischer Aufführungspraxis leider bevorzugen. Speziell in der Höhe wird das Vibrato jedoch etwas unkontrolliert und flatternd. Ihre sanfte, leichte und bewegliche Stimme ist ideal für das Liedrepertoire. Ob ‘Das Veilchen’ oder ‘Dans un bois solitaire’ – sie findet die richtige Farbe und Haltung. Allein in der ‘Abendempfindung’ ist ihr unruhiges Vibrato störend. Gerrit Zitterbart begleitet bedacht und behutsam, trägt die Stimme mit den pastelligen Klängen des Hammerflügels. Das Duo beweist durchweg musikalisches Verständnis. Auch Susannas Arie ‘Un moto di gioia’ in Mozarts eigener Version mit Klavierbegleitung gelingt ihnen gut.
Für das Rondo der Fiordiligi aus ‘Cosi fan tutte’ und die Einstiegsarie der Gräfin aus ‘Figaros Hochzeit’ hat Blase jedoch nicht die Opernstimme. Wenn es dramatisch wird, fehlt die Kraft, und die Intonation wird instabil. Als Gräfin mangelt es ihr an Ruhe für die weiten Bögen. Die Konzertarie ‘Ch’io mi scordi di te?’ KV 505 gelingt Heidrun Blase hingegen ausgesprochen gut, auch wenn die Spitzentöne in der Schlusskadenz etwas herausplatzen. Das Zusammentreffen aller Akteure in dieser Arie zeigt die harmonische Zusammenarbeit, welche aus der Routine bereits mehrerer gemeinsamer Einspielungen resultiert, besonders deutlich. Zwischen Klavier, Singstimme und Orchester herrscht eine ausgewogene Balance.
Musikalisch versiert
Auch in den Klavierkonzerten Nr. 21 in C-Dur und Nr. 23 in A-Dur gehen die Interpreten umsichtig aufeinander ein. Beide Werke haben einen eher nachdenklichen, ins Düstere abdriftenden Mittelsatz, der hier ebenso wie die schnellen, verspielten Außensätze seine Wirkung entfaltet. Thomas Dorsch untermalt mit seinem Orchester behutsam die Klavierstimme, die Zitterbart anmutig dahinfließen lässt, dazwischen aber auch immer mal wieder etwas mehr gibt, um zur nächsten Solophrase hinzuleiten. Bis aufs Blech verwendet die Kammerphilharmonie moderne Instrumente, der Stil ist aber am Historischen orientiert, die Streicher etwa verzichten weitgehend auf Vibrato. Wie explosionsartig und gleichzeitig fein Dorsch seine Kammerphilharmonie führen kann, zeigt er nochmals beeindruckend in der Ouvertüre zum ‘Schauspieldirektor’. Der kammermusikalische Duktus passt hervorragend zum Vorspiel dieses halbstündigen Einakters.
Historisch informiert
Die Prellmechanik, auch “Wiener Mechanik” genannt, war im späten 18. Jahrhundert weit verbreitet, der daraus resultierende Klang hat nicht die Brillanz eines heutigen Konzertflügels, ist glanzloser und trocken. Besonders bezeichnend ist auch die tonliche Vielseitigkeit, der große Unterschied der verschiedenen Lagen. Besonders die Höhen klingen gezupft, einem Cembalo ähnlich, sodass, ehe man sich ein wenig eingehört hat, teilweise sogar der Eindruck entsteht, es wären unterschiedliche Instrumente am Werk. Auch dynamisch gibt der Hammerflügel nicht so viel her, ertönt eher zurückhaltend, was dem Mozartschen Charme sehr entgegenkommt. Interessant ist: Die verwendeten Flügel sind zwei Nachbauten von Mozarts persönlichen Instrumenten.
Die beiden Solisten sind als Hochschuldozenten mit den geschichtlichen Hintergründen und der Materie bestens vertraut, und auch die Musiker der Norddeutschen Kammerphilharmonie setzten sich mit den historischen Kontexten der Komponisten außeinander. Der Anspruch, die Musik “mit den Augen der Zeit ihres Entstehens zu sehen”, wie Nikolaus Harnoncourt im Booklet zitiert wird, ist allerdings mit Vorsicht zu genießen. Sich in die Menschen von vor 250 Jahren musikalisch hineinzuversetzen, ist in der heutigen Zeit von ständiger Beschallung kaum für Spezialisten und noch viel weniger für die Breite der Rezipienten möglich. Trotzdessen und der sehr ansprechenden Werkauswahl wird hier ein ganz besonderes neues Klangerlebnis geboten, das neben den zahlreichen Mozart-Einspielungen eine nette Bereicherung darstellt.