Unruhe und Aufmerksamkeit
Lübecker Nachrichten 24.9.2015
Ein Saal mit 300 Grundschulkindern ist keine Weihestätte der klassischen Musik. Es herrscht Unruhe, mal mehr, mal weniger, und wer sich daran stört, der soll keine Konzerte für Kinder geben. Die Lübecker Philharmoniker unter dem Dirigenten Thomas Dorsch stören sich offensichtlich nicht daran. Mit viel Freude und Engagement haben sie gestern in den Kammerspielen des Theaters “Peterchens Mondfahrt” aufgeführt. Es ist ein hundert Jahre altes Märchen über einen Maikäfer, dem zwei Kinder helfen, sein fehlendes sechstes Bein vom Mond zu holen, auf den ein böser Holzdieb es verschleppt hat. Der Dirigent war zugleich der Komponist. Die Musik, die sich einer Tonsprache zwischen Spätromantik und Frühmodeme bedient, illustriert und interpretiert den Text auf wunderbar leichte und charmante Art. Sie bietet den kleinen Zuhörern reichlich Anknüpfungspunkte, fantasievoll, manchmal lautmalerisch, aber nie platt. Mit ihrem lebendigen und den Kindern zugewandten Vortrag blies Lidwina Wurth die dünne Staubschicht, die auf dem Text von Gerd von Bassewitz liegt, mühelos weg. Am unmittelbarsten wirken auf die Kinder die optischen Reize – der silbern glitzernde Schlafstaub des Sandmanns, die Lichtpunkte, die eine Discokugel an die Wand wirft. Dann entsteht Unruhe. Aber die Unruhe ist kein Zeichen von Unmut oder mangelndem Interesse. Immer wieder ist zu merken, dass die meisten Kinder der Geschichte aufmerksam folgen. Beim dramatischen Höhepunkt, als der böse Holzdieb den Kindern mit der Axt droht, herrscht fast Stille. Hanno Kabel